Zeugnisverweigerungsrecht

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    Alles Wissenswerte zum Zeugnisverweigerungsrecht

    Sexuelle Belästigung und andere sexuelle Übergriffe sind leider immer noch keine Seltenheit. Zeuge werden kann grundsätzlich jeder. Nicht nur dann, wenn man selbst eine Beobachtung gemacht und eine Straftat miterlebt hat oder selbst Opfer wurde, sondern auch wenn man indirekt mit einer Straftat oder einem Beschuldigten in Kontakt gekommen ist. In einem solchen Fall wissen Betroffene häufig nicht, was sie erwartet und was sie tun oder besser lassen sollten. Wer Zeuge ist, kann von der Polizei oder einem Gericht vorgeladen werden.

    Wenn Angehörige des Beschuldigten Zeugen werden oder Personen als Zeugen vernommen werden, für die eine berufsbedingte Schweigepflicht gilt, greift das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht.

    Verweigern Sie die Aussage, können Sie unter Umständen nicht nur sich selbst, sondern auch den Beschuldigten schützen. Was genau das Zeugnisverweigerungsrecht ist und was Zeugen bei einer Vernehmung wissen sollten, zeigen wir in diesem Beitrag.

    Sie brauchen rechtliche Unterstützung oder haben juristische Fragen? Auch Zeugen können und sollten sich anwaltlich beraten lassen. Als erfahrene Anwälte im Strafrecht stehen wir Ihnen jederzeit Rede und Antwort und unterstützen Sie bestmöglich im Zeugenstand und darüber hinaus. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit für ein unverbindliches Erstgespräch.

    Was ist das Zeugnisverweigerungsrecht?

    Wer eine Straftat beobachtet oder in sonstiger Weise Auskunft über die Tat oder den Beschuldigten geben kann, muss in der Regel vor Gericht oder bei den Ermittlungsbehörden zum Sachverhalt aussagen. Dazu sind Zeugen nach der Strafprozessordnung auch verpflichtet (§ 48 StPO).

    Grundsätzlich gilt: Verweigert ein Zeuge die Aussage vor Gericht, kann ihm sogar ein Ordnungsgeld und bei Nichterscheinen das Auferlegen der entstehenden Kosten drohen (§ 51 StPO). Vor der Polizei oder Staatsanwaltschaft muss ein Zeuge erscheinen und eine Aussage machen, wenn er geladen wurde (§ 163 Abs. 3 StPO).

    Eine Ausnahme von dieser Pflicht ist das Zeugnisverweigerungsrecht. Zeugen sind unter gewissen Voraussetzungen berechtigt, die Aussage zu verweigern, auch wenn sie gesetzlich grundsätzlich dazu verpflichtet sind. Welche Voraussetzungen entscheidend sind, erfahren Sie weiter unten.

    Für eine Aussageverweigerung bedarf es keiner Begründung. Der Zeuge muss lediglich angeben, keine Aussage machen zu wollen. Außerdem darf eine solche Zeugnisverweigerung dem Zeugen nicht zum Nachteil werden.

    Wer hat ein Zeugnisverweigerungsrecht?

    Beschuldigte dürfen die Aussage grundsätzlich immer verweigern, denn sie müssen sich nicht selbst belasten. Im Gegensatz dazu haben nur bestimmte Zeugen das Recht, das Zeugnis zu verweigern.

    In der StPO wird das Zeugnisverweigerungsrechts in 2 Kategorien eingeteilt:

    • Angehörige des Beschuldigten (“aus persönlichen Gründen”), 52 StPO
    • Berufsgeheimnisträger (“aus sachlichen Gründen”), 53 StPO

    Im Folgenden erfahren Sie mehr dazu.

    Familiäres Zeugnisverweigerungsrecht

    Um die Familie und deren Beziehung zueinander zu schützen, müssen enge Angehörige des Beschuldigten vor Gericht nicht aussagen, da sie sonst ihre eigenen Angehörigen belasten könnten oder müssten.

    So soll verhindert werden, dass sich nahestehende Personen gezwungen sind, gegeneinander auszusagen und zur Verurteilung des anderen beizutragen.

    § 52 StPO regelt daher, dass sowohl Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner und in gerader Linie Verwandte oder Verschwägerte des Beschuldigten vor Gericht keine Aussage machen müssen. Dabei sind sowohl gerade als auch seitliche Linien umfasst.

    Zusammengefasst haben folgende Angehörige ein Zeugnisverweigerungsrecht:

    • Ehe- und Lebenspartner
    • Verlobte
    • Eltern
    • Kinder
    • Großeltern
    • Geschwister
    • Tanten und Onkel
    • Nichten und Neffen

    Diese Personen müssen vor Gericht keine Aussage machen, wenn sie das nicht möchten. Außerdem dürfen Minderjährige oder Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung nur dann aussagen, wen sie dazu bereit und in der Lage sind.

    Wissenswertes zum persönlichen Zeugnisverweigerungsrecht

    • Über das Zeugnisverweigerungsrecht müssen Angehörige stets belehrt werden. Andernfalls ist die Aussage unverwertbar.
    • Auch Menschen, die einmal ein solches Recht hatten, behalten dieses ihr lebenslang. Das gilt insbesondere für Ex-Ehepartner oder Ex-Verlobte.
    • Darüber hinaus dürfen Angehörige eine Aussage machen, wenn sie sich später dazu entscheiden. Sie sind also nicht an Ihre Entscheidung zu schweigen gebunden.
    • Das Zeugnisverweigerungsrecht ist kein Verbot einer Aussage, sondern nur ein Recht, dessen Ausübung den Betroffenen freisteht.
    • Pflegekinder, Pflegeeltern und Cousins haben grundsätzlich kein Zeugnisverweigerungsrecht.

    Berufsbedingtes Zeugnisverweigerungsrecht

    In §§ 53 f. StPO wird darüber hinaus ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen erfasst. Das betrifft Menschen, die in ihren Berufen sogenannte Geheimnisträger sind, also eine berufliche Schweigepflicht haben. Dies soll nicht den Beschuldigten, sondern die Reputation des Berufsgeheimnisträgers schützen.

    Davon umfasst sind unter anderem:

    • Abgeordnete
    • Anwälte
    • Ärzte
    • Geistliche
    • Richter und Staatsanwälte
    • Seelsorger
    • Steuerberater

    Menschen dieser Berufsgruppen müssen keine Angaben machen, wenn sie die Kenntnisse über die Straftat durch ihren Beruf erlangt haben. Etwas anderes kann gelten, wenn etwa ein Arzt privat eine Straftat beobachtet, die nichts mit der Ausübung seines Berufs zu tun hat. In diesem Fall gilt die berufliche Schweigepflicht grundsätzlich nicht.

    Wichtig: Die Unverwertbarkeit der Aussage gilt allein für Angehörige im Zeugenstand. Macht ein Berufsgeheimnisträger eine Aussage, auch ohne belehrt zu werden, darf diese vor Gericht verwendet werden. Der Grund: Der Berufsgeheimnisträger muss auch ohne Belehrung wissen, dass er einer Schweigepflicht unterliegt und sich daran halten. 

    Wissenswertes zum beruflichen Zeugnisverweigerungsrecht

    • Berufsgeheimnisträger können durch den Beschuldigten von der Schweigepflicht entbunden werden und dann zum Sachverhalt aussagen, ohne gegen ihre Schweigepflicht zu verstoßen.
    • Wer allerdings von seiner Schweigepflicht entbunden wurde, etwa als Arzt oder Anwalt, ist nunmehr dazu verpflichtet, eine Aussage zu machen. In diesem Fall obliegt diese Entscheidung nicht den Zeugen, sondern dem Beschuldigten.

    Auskunftsverweigerungsrecht vs. Zeugnisverweigerungsrecht – was ist der Unterschied?

    Das Zeugnisverweigerungsrecht ist deutlich weiter gefasst als das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO).

    • Das Zeugnisverweigerungsrecht erlaubt bestimmten Zeugen, vor Gericht keine Aussage zu machen, wenn die Antworten sie selbst oder den Beschuldigten belasten könnten. Dies bezieht sich auf den gesamten Prozess.
    • Bei einem Auskunftsverweigerungsrecht darf nur die Antwort auf bestimmte, belastende Fragen verweigert werden, nicht jedoch die gesamte Zeugenaussage.

    Dennoch gibt es Situationen, in denen keine Fragen denkbar sind, bei deren Beantwortung sich Zeugen nicht selbst oder Angehörige belasten würden. In einem solchen Ausnahmefall kann ein Aussageverweigerungsrecht den gleichen Umfang wie ein Zeugnisverweigerungsrecht haben.

    So verhalten Sie sich als Zeuge richtig

    Sind Sie Angehöriger des Beschuldigten oder Berufsgeheimnisträger in einem Strafprozess, sollten Sie sich vorher umfassend über Ihre Rechte im Strafprozess informieren.

    Während Berufsträger durch ihren Berufseid verpflichtet sind, keine Aussage vor Gericht oder der Polizei zu machen, haben Angehörige immer die Wahl. Andersherum müssen Berufsgeheimnisträger eine wahrheitsgemäße Aussage machen, wenn sie von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden.

    Angehörigen steht es dagegen frei, selbst zu entscheiden, ob Sie als verwandte oder verschwägerte Person eine Aussage bei der Polizei oder vor Gericht gegen Ihre Angehörigen machen wollen. In jedem Fall sollten Sie sich dies gut überlegen, da es große Auswirkungen für Ihr Leben und die Beziehung zum Beschuldigten und der gesamten Familie haben kann. 

    Wenn Sie sich unsicher sind oder nicht ausreichend über Ihre Rechte informiert wurden, wenden Sie sich gerne jederzeit an uns. 

    Als erfahrene Anwälte im Strafrecht wissen wir, wie schwierig eine Zeugenaussage im Verwandtschaftskreis sein kann. Daher beraten wir Sie gerne in einem unverbindlichen Erstgespräch zu Ihren Möglichkeiten und stehen Ihnen gerne zur Seite.